
Das Berner Oberland als Drehort und Schauplatz
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«On Her Majesty’s Secret Service» hat der Schweiz die grösste Filmproduktion beschert, die das Land bis zum heutigen Tag gesehen hat. Siebeneinhalb Monate dauerten die Dreharbeiten. Die Verfilmung von «On Her Majesty’s Secret Service» bleibt dabei sehr nahe an der Romanvorlage und verzichtet weitgehend auf phantastische Gadgets, die ja zum eigentlichen Markenzeichen der Bond-Filme geworden waren. Vielmehr ist der Film geprägt durch einen harten Realismus, kompromisslose Action-Szenen und atemberaubende Verfolgungsjagden. Nur das Nötigste drehte Regisseur Peter Hunt im Studio. Er machte die spektakuläre Bergwelt des Berner Oberlandes zur real existierenden Kulisse für den Film. Die Aufnahmen der rasanten Schussfahrten durch die verschneiten Hänge und die Ski-Stunts sind einzigartig. Nicht nur für die damalige Zeit, sondern bis zum heutigen Tag. Das Ganze wird untermalt durch John Barrys monumentale Instrumental-Titelmelodie mit dem von einem Moog-Synthesizer generierten Bass-Ostinato. Hunt erschuf damit eine Ikone des Action-Kinos.
Aber nicht nur die Landschaft wurde zu einem wesentlichen Bestandteil des Films. Blofelds Sanatorium auf dem Piz Gloria war in Tat und Wahrheit die Gipfelstation des Schilthorns. Die gesamte Anlage befand sich im Jahr 1968 noch im Rohbau und wurde entsprechend den Bedürfnissen des Films fertig gebaut. Zum Beispiel der Helikopterlandeplatz mit der Eisbahn mit Bodenbeleuchtung und den ausfahrbaren Geländern. Oder der Alpine Room. Im für den regulären Tourismusbetrieb geplanten Drehrestaurant wurde eine Bachelor-Lounge eingebaut, die man am ehesten in Hugh Heffners Playboy-Mansion erwartet hätte.
Anders als noch vier Jahre zuvor bei «Goldfinger» im schweizerischen Andermatt wurde die Filmcrew in Mürren mit offenen Armen empfangen. Seit dem gigantischen Erfolg von «Goldfinger» war die Figur James Bond auch dem letzten Bergbauern bekannt. Und sowohl die Bergbahnen als auch die gesamte lokale Tourismusindustrie erkannten die riesige Chance. Mit der Wahl als Bond-Location konnte die Region ihren Bekanntheitsgrad in einem Mass steigern, das punkto Reichweite und Wirkungsgrad die Möglichkeiten jeder herkömmlichen Marketing-Kampagne um ein Tausendfaches übertraf. Das war die langfristige Perspektive. Kurzfristig bedeuteten die Dreharbeiten für Mürren und die Schilthornbahn einen unverhofften Geldsegen. Die Hotellerie kam zu einer dritten Saison und die Bahnbetriebe konnten ihre gesamte Anlage während Monaten an EON-Productions vermieten, die als Gegenleistung das Bauprojekt inklusive Drehrestaurant fertigstellten beziehungsweise die Kosten dafür übernahmen. Hinzu kam, dass die Engländer ganz generell einen unverkrampften Umgang mit Geld pflegten. Trinkgelder bewegten sich nicht selten in der Höhe eines Tagessalärs und alleine im eher unscheinbaren Hotel Jungfrau in Mürren sollen während der Dreharbeiten mehr Bordeaux-Weine konsumiert worden sein als in derselben Zeitspanne im Palace in Gstaad. Alles in allem war es ein unglaublicher Glücksfall für die Region.
«On Her Majesty’s Secret Service» ist der wohl aussergewöhnlichste Bond-Film der bisherigen Reihe. Das hat zunächst mit dem Roman zu tun und mit dem Drehbuch, das sich fast buchstabengetreu an die Vorlage hält: Bond verliebt sich, er heiratet. Er verbündet sich hinter dem Rücken seines Chefs M mit einem Schwerstkriminellen, um einen anderen Schwerstkriminellen zu bekämpfen. Die Story endet nicht nur ohne Happy-End, sondern herzzerreissend tragisch. Bonds Ehefrau Tracy wird noch auf der Hochzeitsreise erschossen. Dem berühmtesten Agenten der Welt wird versagt, ein glückliches Leben zu führen. Er ist dazu verdammt, seine professionelle Feindschaft mit Blofeld zu einer persönlichen Fehde zu machen.
George Lazenby – man mag von ihm als Person halten was man will – spielte die Rolle des James Bond in «On Her Majesty’s Secret Service» mehr als passabel. Bedenkt man zudem, dass er gar kein Schauspieler war sogar grossartig. Der kommerzielle Erfolg des Films war indessen vergleichsweise bescheiden. Inflationsbereinigt steht er punkto Einspielergebnis an drittletzter Stelle der gesamten Reihe. Hinter ihm nur die minderwertigen Streifen «A View to a Kill» (1985) und «Licence to Kill» (1989). Es ist zu vermuten, dass das Publikum die Neubesetzung der Figur James Bond wenig goutierte. Nicht, weil Lazenby schlecht gewesen wäre, sondern weil Connery einfach zu gut war. Das Publikum hatte noch nicht genug von ihm und wollte nicht, dass er abtritt. Hinzu kommt, dass ein Bond-Film, der ausgerechnet im Woodstock-Jahr erschien, punkto Zeitgeist wohl nicht die idealen Marktbedingungen antraf.
Aber das kann einem Bond-Kenner vollkommen egal sein. «On Her Majesty’s Secret Service» ist ein Meisterwerk und fällt unbestritten mit «Goldfinger» und «Skyfall» unter die drei besten Bond-Filme.